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Das Internet verrät uns. Wissen Sie, welche Spuren Sie hinterlassen?

Suchergebnis nach sexuellen Vorlieben

Die sexuellen Vorlieben, die die Deutschen am meisten im Netz suchen, dürften sich deutlich von denen unterscheiden, die sie in Sonntagsreden und Fragebögen angeben…

„Everybody lies“, erklärte Seth Stephens-Davidowitz in seinem grandiosen Buch gleichen Namens. Woher der Ex-Google-Data-Scientist, der jetzt bei der New York Times Datenjournalismus betreibt, das weiß? Er hat das Verhalten der Menschen im Netz beobachtet und systematisch ausgewertet: Google-Suchen, besuchte Websites, aufgerufene Videos. Und darin genug Stoff gefunden, um mit recht hoher Verlässlichkeit Produkttrends, den Ausgang von Wahlen und den Anteil bestimmter sexueller Orientierungen vorherzusagen – meist besser, als klassische Markt- und Meinungsforschung dies gekonnt hätte.

FAKT #1: Wer sich unbeobachtet wähnt, ist ehrlicher. Warum uns anonyme Diskussionen und das Such- und Surfverhalten den Spiegel vorhalten.

Der Grund dafür liegt auf der Hand: in einem Fragebogen anzugeben, dass man Ökostrom beziehen möchte oder einer Interviewerin zu berichten, dass man sich für mehr Frauen in Führungspositionen einsetzt, fällt leicht… so leicht, dass die Bereitschaft zu solchem Handeln in der Regel grotesk überschätzt wird. Wie ist es aber, wenn man Sie fragt, ob Sie schon einmal NPD gewählt haben?

Wer gefragt wird, muss zum Fragenden eine Beziehung aufbauen. Daher zeigen Diskussionen, die anonym ablaufen, zwar mehr Polarisierung als im „zivilen“ Miteinander, doch sie bilden oft die Meinungen und Sichtweisen in einer Gesellschaft realistischer ab, solange man die Verzeichnung an den Extremen abzieht.

Wer jedoch handelt – zumal im Schutz vermeintlicher Anonymität – ist in Gedanken oft ganz bei sich selbst. Betrachten wir daher, was für Seiten die Menschen tatsächlich im Netz aufrufen, was sie bei Google suchen und welche Produkte sie wirklich kaufen, erhalten wir ein schonungsloses Bild, das deutlich weniger beeinflusst ist vom Kalkül „was werden die Nachbarn denken“ .

Handelt es sich nur um eine kleine, radikale Minderheit, mag dieses Bild verzerrt sein – oft reichen 5% besonders laute Mitglieder einer Gesellschaft, um ein Thema groß zu machen. Doch wenn wir hunderrttausende oder gar Millionen Menschen beim selben Verhalten beobachten, können wir weitreichende Schlüsse ziehen… die sich oft weit von dem entfernen, was man in Sonntagsreden und Fragebögen von sich gibt.

FAKT #2 Nur wer weiß, wie transparent wir digital sind, kann seinen Umgang mit Daten bewusst steuern.

Dass jedoch beim Googlen nach dem etwas anderen Seitensprung, dem Besuch einer Seite für rechtsradikale Pamphlete oder dem anonymen Rant über die Sexualität einer Top-Führungskraft Crawler und Analyseprogramme fast immer mitlesen, machen sich die Meisten nicht bewusst. Selbst Online-Profis sind regelmäßig vor den Kopf gestoßen, was man mit frei zugänglichen, legalen Tools über sie herausfinden kann.

Das ist ein äußerst zweischneidiges Schwert: einerseits ermöglicht der viel einfachere, günstigere und schnellere Zugang zu hochgradig aussagekräftigen Daten mehr Fairness in Markt und Gesellschaft. Denn wo bis vor Kurzem nur die reichsten und mächtigsten Organisationen die Möglichkeiten ausgiebiger Markt- und Meinungsforschung hatten, stehen diese Erkenntnisse dank Big Data nun jedem kleinen Mittelständler und jeder NGO beinahe grenzenlos offen.

Andererseits aber „ernährt“ man sich so von Daten, die Menschen – im Gegensatz zur traditionellen Befragung – nicht bewusst und oft nicht einmal freiwillig geteilt haben. Legal ist das, aber legitim ist es nur, wenn es einhergeht mit einer umfassenden Aufklärung, wie viele Spuren eine jede digitale Handlung hinterlässt – und wie man seine eigenen Spuren gering halten oder verwischen kann.

Das gilt nicht nur für Privatpersonen, sondern gerade auch für Unternehmen und öffentliche Personen wie z.B. Mandatsträger. Niemand muss Sie „hacken“, um mehr über Sie herauszufinden, als Sie jemals preisgeben wollten. Es sei denn, Sie gehen sehr bewusst mit ihrem digitalen Leben um. Vom Surfen im anonymen Modus über das Nicht-Zulassen von Cookies bis zur sehr gründlichen Prüfung, was Sie wirklich in sozialen Medien sagen und ob Sie an Wettbewerben, Crowdfunding und Ähnlichem teilnehmen sollten.

FAKT #3: Wir leben von Ihren Daten – doch wir möchten Sie nicht hintergehen

Es ist keine Frage: HASE & IGEL lebt von dieser breiten, tiefen, einfachen Zugänglichkeit der Daten, die wir alle jederzeit digital preisgeben. Darauf sind wir stolz – weil wir überzeugt sind, diese Möglichkeiten ausschließlich in Projekten einzusetzen, die einen Mehrwert für Alle stiften. Dennoch hat die Arbeitsweise auch ein wenig etwas von Voyeurismus und dem Graben im Müll der Nachbarn.

Das ist uns bewusst und wir nehmen es in Kauf. Doch eben nur, solange wir gleichzeitig dafür eintreten, unseren Lesern, unseren Kunden, Studenten eigentlich Jedem, der nicht bei Drei auf den Bäumen ist zu vermitteln, wie „nackt“ er im Netz da steht… und dass er das ändern kann, doch eben nur, wenn es ihm erst einmal bewusst ist!

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